Rechtsanwältin Eva Mustermann, Musterstraße 1, 12345 Musterhausen, Tel.: 01234/56789, eva@mustermann.de
Anscheins- und Duldungsvollmacht können den Kaufmann binden
Im Geschäftsverkehr finden tagtäglich Verhandlungen zwischen den Vertretern verschiedenster Unternehmen statt. Im Rahmen dieser Verhandlungen werden Verträge geschlossen, Zahlungsansprüche begründet oder verneint oder auch Einigungen über streitige Sachverhalte erzielt, deren finanzieller Gegenwert oft in die Millionen geht.
Zur guten Übung einer jeden solchen Zusammenkunft gehört es, dass die Teilnehmer der Veranstaltung am Anfang ihre Visitenkarten austauschen, sodass es der jeweiligen Gegenseite möglich wird, sich zumindest über den Namen des Gespächpartners und die Abteilung zu orientieren, in der das Gegenüber offenbar arbeitet.
Fast nie wird im Rahmen solcher Zusammenkünfte hingegen abgeklärt, ob derjenige, der einem gegenüber sitzt, überhaupt bevollmächtigt ist, für sein Unternehmen Erklärungen abzugeben. Man sitzt also stundenlang zusammen, einigt sich auf ein Ergebnis und geht in dem Glauben auseinander, dass man sich nach gefundener Einigung neuen Aufgaben zuwenden kann.
Umso größer ist dann die Überraschung, wenn eine Seite (meist diejenige, die Zahlungen leisten soll) kurz darauf wissen lässt, dass man die erzielte Einigung nicht gelten lassen könne, da die eigenen Verhandlungsteilnehmer gar nicht bevollmächtigt waren, Erklärungen in diesem Umfang für ihr Unternehmen abzugeben.
Und tatsächlich kann im Nachgang glaubhaft gemacht werden, dass keiner der beteiligten Verhandlungsteilnehmer mit einer wie auch immer gearteten Handlungsvollmacht oder gar Prokura seines Unternehmens ausgestattet war.
Um das Handeln eines Vertreters jedoch einem Unternehmen (dem Geschäftsherrn) zurechnen zu können, ist es nach § 164 Abs. 1 BGB grundsätzlich unerlässlich, dass der Vertreter zum einen überhaupt bevollmächtigt ist und zum anderen der Umfang der Vollmacht das konkrete Rechtsgeschäft abdeckt.
Ohne eine solche Vollmacht ist also auch die schönste erzielte Einigung zunächst einmal Makulatur.
Der in ihren Erwartungen insoweit enttäuschten Verhandlungsseite kann aber unter Umständen geholfen werden.
Vorliegen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht
Neben Ansprüchen aus § 179 BGB gegen den offenbar ohne Vertretungsmacht handelnden Verhandlungsteilnehmer persönlich ist in solchen Fällen immer zu prüfen, ob die Erklärungen des vollmachtlosen Vertreters nicht vielleicht doch nach den Grundsätzen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht wirksam sind und das vertretene Unternehmen binden.
Die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht sind in keinem Gesetz niedergelegt, sondern von der Rechtsprechung entwickelt worden und mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt.
Voraussetzungen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht
Voraussetzung für das Eingreifen der Grundsätze einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht ist zunächst, dass die handelnde Person tatsächlich nicht mit einer Vollmacht ausgestattet war.
Weiter muss das Unternehmen, für das der vollmachtlose Vertreter aufgetreten ist, zumindest den Rechtsschein einer Bevollmächtigung gesetzt haben.
Bei der Duldungsvollmacht verlangt die Rechtsprechung, dass das vertretene Unternehmen das Handeln des vollmachtlosen Vertreters kennt und es hinnimmt. Weiß das vertretene Unternehmen also positiv, dass ein Mitarbeiter (vielleicht schon seit Jahren?) durch die Lande zieht und – ohne im Besitz einer Vollmacht zu sein – rechtsgeschäftliche Erklärungen für das eigene Unternehmen abgibt, und schreitet das Unternehmen hiergegen nicht ein, dann liegt die Annahme einer Duldungsvollmacht nahe.
Bei der Anscheinsvollmacht wird der vom Vertretenen gesetzte Rechtsschein dadurch begründet, dass das vertretene Unternehmen das (vollmachtlose) Handeln seines Vertreters bei gebotener Sorgfalt hätte erkennen und auch verhindern können. Bei der Anscheinsvollmacht weiß der Geschäftsherr also nicht positiv, was der Vertreter treibt, er hätte es aber wissen können.
Beide Konstruktionen führen im Ergebnis zum selben Ziel: Der – vollmachtlose – Vertreter wird so behandelt, als ob er eine Vollmacht gehabt hätte. Die Erklärungen des Vertreters wirken unmittelbar für und gegen den Vertretenen.
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